Familienbetrieb seit über 200 Jahren
Ideen entwickeln, nach vorne schauen, den Kopf nicht in den Sand stecken – so ist die Tischlerei der Graichens mehr als 200 Jahre alt geworden.

„Holzdämpfungs- und Trockenanlage. Eignes Sägewerk. Eignes Geschirr“: Zur Kaiserzeit präsentierte man sich gern fortschrittlich. Foto: Vahle
Zwei Jahrhunderte sind ein sehr langer Zeitraum. Und jeder, der einen Betrieb führt, weiß, wie viel sich schon in wenigen Jahren ändern kann. „Unsere Firmengeschichte ist eine Geschichte des sich Arrangierens mit den Gegebenheiten“, sagt Matthias Graichen, Geschäftsführer der Graichen Bau- und Möbelwerkstätten GmbH im sächsischen Frohburg. Er führt den 1799 gegründeten Familienbetrieb in der siebten Generation. Geändert hat sich in dieser Zeit sehr viel, nur nicht der Name Graichen.
An den Wänden hängen Zeichnungen, die Matthias Graichens Vorfahren einmal angefertigt haben. Historische Meisterbriefe, alte Rechnungen und Schwarz-Weiß-Fotos zieren das große Besprechungszimmer. Doch trotz dieser allgegenwärtigen Vergangenheit sind die Graichens nie stehengeblieben: 35 Mitarbeiter hat der Betrieb heute, vier davon sind Tischlermeister, zwei Techniker sind dabei, ein Zeichner und sechs Auszubildende. Was die Maschinen angeht, haben Vater und Sohn immer angemessen investiert: Die liegende Plattensäge mit automatischer Bestückung gehört ebenso dazu wie das CNC-Bearbeitungszentrum.
Kundenwünsche werden in die Tat umgesetzt
Doch es ist nicht die Ausstattung allein, die heute als Aushängeschild für einen Betrieb dient: Der Kunde möchte sich gut aufgehoben fühlen. Für Gespräche gibt es einen anderen Raum – ringsum mit einer sehr schönen Holzvertäfelung. Zieht Graichen die eine Seite auf, ist der Zugang zur Klimakammer mit wertvollen Furnieren frei. Öffnet er die andere Seite, ermöglicht eine große Panoramascheibe den Blick in die Werkstatt. „‚Hier werden Ihre Wünsche in die Tat umgesetzt‘, kann ich dem Kunden dann sagen“, erzählt der Handwerksunternehmer nicht ohne Stolz.

Tradition verpflichtet, aber stehenbleiben gibt es nicht: Ohne den großen Anleimer … Foto: Vahle
Ihre Kunden finden die Graichen Bau- und Möbelwerkstätten heute natürlich nicht mehr im näheren Umkreis wie noch zu DDR-Zeiten, sondern im gesamten Bundesgebiet. „Unser Hauptstandbein ist der hochwertige Innenausbau. Aktuell arbeiten wir für eine große Hotelkette. Wir haben aber auch viele Privatkunden und gelegentlich öffentliche Aufträge“, sagt der Tischlermeister. Nicht allzu weit entfernt sind die Grenzen nach Polen und zur Tschechischen Republik. Darüber macht sich Graichen allerdings überhaupt keine Sorgen: „Die Kollegen dort arbeiten in einem anderen Preissegment“, sagt er selbstsicher.
Lange Referenzliste
Auf der Referenzliste finden sich Objekte wie das Bauhaus Dessau, das Hygienemuseum Dresden oder das Hotel Adlon Kempinski in Berlin. 2008 hat die Tischlerei aus Frohburg den Eingangsbereich des Porsche-Museums in Zuffenhausen mitgestaltet. „Wir hatten 2002 den Auftrag für das Porsche-Kundenzentrum in Leipzig bekommen. Hätte ich damals gewusst, wie oft Klavierlack geschliffen werden muss, dann hätten wir den Auftrag vermutlich nicht übernommen. Aber als es dann einige Jahre später um Zuffenhausen ging, hatten wir einen Fuß in der Tür“, freut sich der 47-Jährige darüber, doch alles richtig gemacht zu haben.

… und die liegende Plattensäge läuft heute natürlich nichts. Foto: Vahle
„Ich glaube, die größte Herausforderung in der Geschichte unseres Betriebs war der Sozialismus“, berichtet der Tischlermeister. Aber kaum war die Mauer gefallen, da machte er sich mit seinem alten Trabant auf in den Westen. Graichen arbeitete im hannoverschen Raum und brachte Errungenschaften wie einen Akku-Schrauber mit nach Hause. Vater Ulf schöpfte da bereits aus dem Vollen: „Vater kaufte per Handschlag einen Kantenanleimer, eine Heißpresse und eine Breitbandschleifmaschine von Ott, wobei beide nicht wussten, wie er sie bezahlen sollte“, erzählt Graichen lachend. Die guten Beziehungen zu Ott haben sich bis heute gehalten. 1993 bauten Vater und Sohn neu und gründeten eine GmbH.
Familiäre Zusammenarbeit
Während der DDR-Zeit war die Größe des Betriebs auf zehn Mitarbeiter beschränkt. „Man wollte keine privaten Unternehmer, aber sie konnten im Sozialismus wichtige Versorgungslücken füllen, man hat uns gebraucht“, erzählt Graichen. Das Abitur blieb ihm allerdings verwehrt: Nicht in der Partei zu sein und sich dann obendrein auch noch zu seinem christlichen Glauben zu bekennen – das war dem Regime dann doch zu viel Aufmüpfigkeit auf einmal.
Seitdem Vater Ulf vor vier Jahren gestorben ist, ist Matthias alleiniger Geschäftsführer. An seiner Seite hat er aber seine zwei Jahre ältere Schwester Ulrike Dudeck als Prokuristin. „Meine Schwester kann alles, was ich nicht kann – von Problemen mit dem Computer bis hin zur Steuererklärung. Sie erledigt alles und bereitet mir alles mundgerecht vor“, lobt er die familiäre Zusammenarbeit – so läuft das bei den Graichens jetzt seit mehr als 200 Jahren.