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Thomas Vahle2018-06-28T14:50:24+02:00

Neustart

Den Stress aus dem Leben verbannen und sich auf das konzentrieren, was Spaß macht – geht das? Albrecht Salau hat seinen Betrieb verkleinert und lebt es jetzt vor.

Ausstattung nach Wunsch: Den Lese- und Arbeitsstuhl fertigt Salau nach Kundenbedürfnissen an. (Vahle)

Sechs Tage die Woche hat er gearbeitet. Zwei Gesellen und zwei Auszubildende waren mal bei ihm beschäftigt – so sah die Tischlerei von Albrecht Salau in Seesen im Harz noch vor einigen Jahren aus. Heute bietet sich ein ganz anderes Bild: Statt ehemals 500 hat die Werkstatt jetzt nur noch 250 Quadrat­meter. Einige Maschinen hat Salau verkauft, die überschüssigen Räume vermietet. Er arbeitet allein, gelegentlich mit Unterstützung eines Rentners auf 450-Euro-Basis.

„Nach vielen Jahren mit viel Arbeit habe ich den Betrieb konsequent runtergefahren“, erzählt Salau. Er beschloss, aus dem Trott auszusteigen. Wenn sich ein Kollege verändern wollte, dann wurde die Stelle nicht neu besetzt. Anfangs hat er an eine Übergabe gedacht. Doch daraus wurde nichts. „Vier junge Meister waren hier und haben sich den Betrieb angesehen. Die waren aber noch nicht so weit und waren sich nicht darüber klar, was es bedeutet, eine Tischlerei zu führen.“

Der 55-jährige Tischlermeister konzentriert sich nun auf das, was ihm Freude macht. Dazu gehört unter anderem, seinen Lese- und Arbeitsstuhl zu bauen, der nach ergonomischen Gesichtspunkten den Rücken entlastet. Ein Zufall hat ihm das gute Stück in die Werkstatt gebracht. „2009 kam eine Stuhlsammlerin mit einer Skizze zu mir. Ich habe ihr gleich gesagt, dass ich davon zwei Stühle baue. Einen für sie, einen für mich“, erzählt Salau.

Seitdem hat er eine Vielzahl dieser Stühle angefertigt und das Sitzmöbel entwickelte sich dabei stetig weiter. Neben einem Halter für ein Weinglas gibt es inzwischen auch Halterungen für Kölsch-Gläser, Pfeifen oder andere nützliche Dinge. Wer will, kann sogar einen ganzen Flaschenvorrat an seinem Stuhl anlegen. Die abnehmbaren Fußstützen sind einmal für die Enkelin einer Kundin entstanden, weil der Stuhl mit dem Kind mitwachsen sollte. Salau bietet die Stützen jetzt als Ausstattung für unterschiedliche Größen an. Eine Maß­anfertigung ist natürlich auch möglich. „Die Interessenten kommen mit Anregungen und so bekomme ich neue Impulse“, sagt der Tischlermeister. Als Grundausstattung gibt es den nackten Stuhl, die Wunschausstattung kann sich der Kunde zusammenstellen.

An der Kreissäge: Ein neuer Lese- und Arbeitsstuhl entsteht. (Vahle)

Selbstverständlich vermarktet Salau sein Produkt über das Internet. Als wirkliche Kundenbringer haben sich aber nach seinen Erfahrungen Buchmessen erwiesen. In Berlin und Leipzig hat er mit seinem Messestand gute Erfahrungen gesammelt. Eventuell will er noch Wien ins Programm aufnehmen. Auch darüber, eine Büromesse zu besuchen, hat er schon nachgedacht. Insgesamt aber ist Salau bei den Messen wählerisch. Wenn er den Eindruck hat, es passt nicht, dann lässt er es bleiben. „Ich bin oft hin- und hergerissen“, sagt er. „Auf der einen Seite möchte ich den Stuhl noch mehr vermarkten, auf der anderen Seite will ich aber keine Massenproduktion.“

Spontankäufe gibt es auch auf den Buchmessen nicht. Laut Salaus Auskunft ist es in erster Linie die Käuferklientel 40+, die sich für den Lese- und Arbeitsstuhl interessiert. Und viele melden sich vielleicht erst nach ein, zwei oder mehreren Jahren, wenn sie sich zum Kauf entschlossen haben.

Zum Leben reicht das Geschäft mit dem Lese- und Arbeitsstuhl jedoch nicht. Deswegen hat Salau in den Mietwohnungen einer Baugenossenschaft die Reparaturarbeiten übernommen. Das bringt festes Geld. „Es geht aber nur um Reparaturarbeiten. An Ausschreibungen beispielsweise über 30 Kunststofffenster beteilige ich mich nicht mehr. Das können andere besser“, sagt der Seesener.

Seine Werkstatt nutzt der Tischler aber nach wie vor täglich. Nicht nur, um Stühle zu bauen, sondern auch für eine Vielzahl von Veranstaltungen. So sind regelmäßig Kinder mit Behinderung bei ihm zu Gast. Einmal wöchentlich können sie sich für einige Stunden in der Arbeit mit Holz ausprobieren. Das läuft seit gut fünf Jahren sehr erfolgreich. „Zustande gekommen ist dieser Werkstatttag einmal durch eine Tischlereibesichtigung der Lebenshilfe. Die Arbeit mit den Kindern macht mir sehr viel Spaß“, erzählt Salau.

Sabine und Albrecht Salau fahren jetzt öfter mal an die Nordsee. (Vahle)

Dann gibt es noch den Werkstatttraum – eine Veranstaltung für Kindergeburtstage, bei der die Kinder Trommeln, ein Insektenhotel, Segelschiffe und andere Dinge bauen können. Erfolgreich ist auch die sogenannte Holzwerkstatt für Erwachsene. Hier hat jeder die Möglichkeit, unter Anleitung entweder eigene Ideen umzusetzen oder einen Gartenstuhl im XL-Format zu bauen. Thematisch knüpft daran der Workshop für Holzfans an, bei dem die Teilnehmer eine Gartenbank für zwei Personen bauen. Und nicht zu vergessen: Einmal jährlich öffnet Salau die Tischlerei für eine Autorenlesung, die er mit einer örtlichen Buchhandlung veranstaltet. Die nächste ist im Mai.

Und was sagt Frau Salau zu der ganzen Geschichte? „Mein Mann hat mehr Freizeit und ist deutlich entspannter als früher“, freut sie sich. „Wir haben die Möglichkeit, einfach mal zwei Tage an die Nordsee zu fahren“, sagt Albrecht Salau und nimmt seine Frau Sabine in den Arm.

Autor

Thomas Vahle

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