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Thomas Vahle2018-04-23T13:32:32+02:00

Mit Gorbi ging alles besser

Michael Pätz aus Bernburg hat sich gleich nach dem Mauerfall selbstständig gemacht. Nicht aus der Not, weil sein Betrieb abgewickelt wurde, sondern weil er es schon immer wollte.

Glasnost und Perestroika – wer kann sich daran noch erinnern? Diese beiden Grundsätze des früheren russischen Präsidenten Gorbatschow haben in den vergangenen Jahrzehnten die Welt deutlich verändert. Auch für Michael Pätz in Bernburg: Nach dem Fall der innerdeutschen Grenze 1989 konnte er endlich seinen Traum verwirklichen.

»Es kommt nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter an, sondern auf ihre Qualität«, weiß Tischlermeister Michael Pätz. (Vahle)

„Im November 1990 habe ich mich selbstständig gemacht“, erzählt der heute 52-Jährige. Pätz hatte es eilig. Seinem Arbeitgeber, dem VEB Raumgestaltung, überreichte er die Kündigung. Lange bevor die Treuhand auf den Plan trat und die sogenannten Volkseigenen Betriebe auf Rentabilität prüfte. Den VEB Raumgestaltung gibt es schon lange nicht mehr. „Wir haben dort Möbel für den Schiffsbau und viele andere Anwendungen gebaut“, erzählt Pätz, der im VEB sogar Betriebsmeister war. Dem damals noch jungen Tischler reichte das aber nicht: 1991 hat er vor der Handwerkskammer noch einmal seine Meisterprüfung abgelegt.

Beim Sprung raus aus der vermeintlichen Sicherheit im VEB in die Selbstständigkeit in der freien Marktwirtschaft hatte Michael Pätz seinen inzwischen verstorbenen Vater an der Seite. Er war ebenfalls Tischler und lebte genau wie sein Sohn den Traum vom eigenen Betrieb. Noch zu DDR-Zeiten kauften die beiden gebrauchte Tischlereimaschinen. „Die waren selten und begehrt – wie alles bei uns. Entsprechende Preise mussten wir zahlen“, berichtet der Bernburger. So kann er sich noch gut daran erinnern, dass er eines Tages mehrere Maschinen aus einer Tischlereiauflösung kaufen konnte: „10.000 Mark haben wir bezahlt, das war sehr viel Geld.“ Nach Feierabend setzten Vater und Sohn die Maschinen instand. Und ebenfalls nach Feierabend haben sie so manche Ost-Mark damit verdient – aber das ist eine andere Geschichte …

Zwei Gesellen, ein Azubi – die Zahl der Mitarbeiter ist überschaubar … (Vahle)

„Nach dem Mauerfall haben wir mit den alten Geräten noch ein Jahr gearbeitet, dann war es an der Zeit, in moderne Maschinen zu investieren“, sagt Pätz. Ein wenig scheint ihm dabei heute noch das Herz zu bluten, aber Vater und Sohn haben es ernst gemeint mit der Selbstständigkeit und dem Willen, einen modernen Betrieb auf die Beine zu stellen. Das ist bis heute so geblieben. Wenn auch die Werkstatt mit rund 280 Quadratmetern auf dem familien­eigenen Grundstück nicht riesig ist, so ist hier doch alles gepflegt und modern. Darin findet sich die Format-Kreissäge natürlich ebenso wie die CNC-Maschine oder der Kantenanleimer.

„Nach dem Mauerfall gab es viel zu tun. Es wurden Arztpraxen gebaut und Hotels modernisiert“, sagt Pätz. „Viele Kunden, die ich damals gewonnen habe, sind uns bis heute treu.“ Heute wie damals sind es mehr die Objekteinrichtungen als die privaten Aufträge, mit denen die Tischlerei Pätz ihre Brötchen verdient. Aktuell sind Tresen sehr gefragt, am liebsten rund. Das ist momentan der Trend.

„Wir fangen da an, wo andere aufhören, und scheuen keine kniffligen Aufträge“, erzählt der Tischlermeister nicht ohne Stolz in der Stimme. Einer dieser Aufträge war beispielsweise das Steigenberger Grand Hotel in Leipzig. Aber auch wenn es „nur“ um einen Friseursalon geht, kann sich der Auftraggeber darauf verlassen, dass Pätz und seine Leute etwas zaubern, was es vorher noch nicht gab. „Ich plane und zeichne viel, das muss ich auch, denn wir wollen Individualität liefern und keine Massenware“, sagt der Bernburger.

Zwei Gesellen und ein Auszubildender unterstützen ihn bei seiner Arbeit. Und auch hier setzt Pätz auf Qualität statt Quantität: „Es kommt nicht darauf an, wie viele Leute ich habe, sondern darauf, wie gut sie sind.“

… aber jeder weiß, wo er anpacken muss. (Vahle)

Von der handwerklichen Seite war Pätz für den Sprung in die Selbstständigkeit damals sicherlich gut gerüstet. Doch das allein reicht nicht, um einen Betrieb erfolgreich zu führen – und das Leben in der Marktwirtschaft funktioniert anders als in einem Volkseigenen Betrieb. „Ich musste mich mit Marketing vertraut machen“, erzählt Pätz ohne Umschweife. Dazu hat er sich fortgebildet und vor allem auch mit Kollegen und anderen Handwerkern ausgetauscht. „Wenn ich immer nur im eigenen Saft schmore, dann habe ich keine neuen Ideen“, sagt er. Und wenn er Ideen hat, setzt er sie auch um: Das zeigt allein der Blick auf die gepflegte Homepage. Als Beispiel für seine Fähigkeiten im Objektbereich hat Pätz gerade erst einen Prospekt entworfen – professionell, mit wenig Text und aussagekräftigen Fotos. Prospekte zum Thema Einbaumöbel oder auch Garderoben sollen folgen. Und wenn die Mitarbeiter der Tischlerei Pätz zum Kunden gehen, dann tragen sie selbstverständlich Bekleidung mit dem Firmenlogo.

„Ich hätte auch ohne den Fall der Mauer versucht, mich selbstständig zu machen. Auch wenn es in der DDR sehr schwierig war“, sagt Michael Pätz. Glasnost und Perestroika haben es aber deutlich einfacher gemacht.

Autor

Thomas Vahle

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