Von Generation zu Generation
Zu klein, zu eng, am falschen Platz? Viele Betriebe kennen diese Standortprobleme. Thomas Dürr hat 1995 neu gebaut – und es wird schon wieder eng.
Es gibt Probleme, die scheinen sich von Generation zu Generation zu wiederholen: 1985 übernahm Thomas Dürr die Schreinerei seines Vaters in Impfingen. Zehn Jahre später erweiterte er den Betrieb mit einem Neubau im Gewerbegebiet des benachbarten Tauberbischofsheim. Seit 2015 ist Thomas‘ Sohn Stefan als Geschäftsführer mit im Boot – und der „Neubau“ platzt schon wieder aus allen Nähten.

Die Schreinerei Dürr verdient ihr Geld hauptsächlich im Ladenbau, den Termindruck kennt jeder Mitarbeiter. (Vahle)
Der Senior hatte den Betrieb 1960 gegründet. Anfangs im Nebenerwerb geführt, entwickelte sich das kleine Unternehmen unter seiner Führung weiter auf bis zu vier Mitarbeiter. Sein Sohn war natürlich nicht faul und baute die Schreinerei weiter aus. „Es kam der Punkt, da war der alte Standort einfach zu eng, die Werkstatt zu klein und die Lkw, die zu uns kamen, hatten auch so ihre Probleme“, erzählt Thomas Dürr. Heute, gut 20 Jahre später und mit Stefan als zusätzlichem Geschäftsführer, stellt sich das Problem wieder. „Wir müssen eben noch mehr just in time arbeiten, dann geht es“, sagt Stefan Dürr. Die restlichen Platzreserven hat zu Pfingsten eine Plattensäge mit automatischem Lager gefressen. Das ist zwar auf der einen Seite bedauerlich, auf der anderen aber eine enorme Arbeitserleichterung. Und es zeigt: Auch 1.650 Quadratmeter sind irgendwo endlich.
In erster Linie verdienen die Dürrs ihr Geld als Zulieferer für den Hotel- und Ladenbau. Der Schwerpunkt liegt eindeutig in Süddeutschland. München, Frankfurt, Stuttgart – das sind ihre Städte. So ein „Just-in-time-Auftrag“ war auch die Renovierung des baden-württembergischen Landtags in Stuttgart, für den die Dürrs beinahe die komplette Einrichtung des Plenarsaals geliefert haben. Im März 2015 hat die Schreinerei in Tauberbischofsheim die Muster gebaut und im Juni sollte es eigentlich losgehen.
Wie es bei öffentlichen Aufträgen aber oft üblich ist, kam es zu Verzögerungen. Das mag auf den ersten Blick nicht schlimm sein; die Dürrs hat es aber zeitlich unter Druck gesetzt und sie dazu gezwungen, am Rande ihrer Kapazitäten zu arbeiten. 160 Abgeordnetentische, Regierungsbänke, Präsidiumstisch, Wandverkleidungen im Besucherbereich, Sitzbankverkleidungen und Medientische entstehen nicht von alleine. „Die größte Herausforderung waren die Wandverkleidungen“, erzählt Stefan. Auf jeden Meter waren 20.000 Löcher zu bohren. Teilweise hat der junge Ingenieur über Nacht gearbeitet oder auch die Maschinen laufen lassen und sich alle vier Stunden den Wecker gestellt, um dann in den Betrieb zu fahren. Das hat nicht nur ihn, sondern auch die Maschinen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht: Ein Bohrgetriebe ging in die ewigen Jagdgründe ein. Das musste dann auch noch repariert werden. „Es hat aber auch Spaß gemacht“, sagt Stefan heute.
Die Dürrs fertigen Komponenten für den Ladenbau für Baustellen auf der ganzen Welt. Der Großvater war noch Allrounder im Dorf, Thomas hat sehr schnell gesehen, dass sich eine Spezialisierung lohnt, und ist damals in das Geschäft mit Gaststätten-Einrichtungen eingestiegen. Privatkunden hat die Schreinerei aber nach wie vor. „Die machen etwa zehn Prozent aus“, sagt der 59-jährige Tischlermeister. „Wir machen diese Aufträge gerne. Die Leute sind es vom Großvater gewohnt, zu uns zu kommen. Wir leben hier in einem ländlichen Gebiet, in dem wir gut verankert sind und auch bleiben wollen“, erzählt Stefan, der im väterlichen Betrieb aufgewachsen ist. Nach dem Abitur hat er hier seine Ausbildung gemacht, dann in Rosenheim Innenausbau studiert. Die Zusammenarbeit mit seinem Vater beschreibt der 31-jährige Diplom-Ingenieur als gut. „Natürlich haben wir unsere Diskussionen, aber Vater kennt sich mit den Maschinen aus, ich mehr mit den Programmen. Das klappt.“

Auch lackiert wird im eigenen Betrieb. (Vahle)
Das muss es auch, denn die Dürrs stecken bis über beide Ohren in Arbeit. Im Ladenbau sind die Abläufe auf den Baustellen eng getaktet. Kommt ein Gewerk in Verzug, ist der gesamte Plan gefährdet. Der Zeitdruck ist immer da. Aktuell musste beispielsweise noch ein Hotel in München fertig werden – bis zum Oktoberfest. Es hat geklappt. Just in time.
Das alles klingt, als ob bald ein Anbau anstünde – so wie es der Großvater gemacht hat. Aber obwohl noch ausreichend Platz zur Verfügung ist, wollen die Dürrs diesen Schritt erst einmal nicht gehen. „Wir wollen gerne größer werden, aber nicht mit Gewalt“, zeigt sich Thomas Dürr besonnen. „Wir müssen nicht nur für den Augenblick sorgen, sondern auch für den Nachfolger.“
Dürr hat einen guten Grund für diese Aussage, den besten: Gerade hat sein Sohn sein erstes Kind bekommen, einen Jungen. Wenn der sich eines Tages entschließt, Schreiner zu werden und den Betrieb in der vierten Generation weiterzuführen, dann wird er sicherlich neue Ideen haben – wie sein Vater, Großvater und Urgroßvater. Und vermutlich wird ihm alles zu eng und er baut an oder neu. Es gibt Dinge, die scheinen sich von Generation zu Generation zu wiederholen …